Bleiben wir schlauer als Roboter?
Zur Person: Dr. Boris Nikolai Konrad ist Hirnforscher und Gedächtnistrainer und lehrt an verschiedenen Universitäten. Er studierte erfolgreich Physik und Angewandte Informatik. 2014 promovierte er am Max Planck Institut für Psychiatrie in München über die neuronalen Grundlagen außergewöhnlicher Gedächtnisleistungen und ist seitdem am Donders Institute for Brain, Cognition and Behaviour in Nimwegen (Niederlande) forschend tätig. Neben seinen akademischen Tätigkeiten ist er Gedächtnissportler der Weltspitze und hält zahlreiche Weltrekorde.
Konrad: Wichtig ist, dass wir bereit sind, von ihr zu lernen. Dass ich nicht nur sehe KI entwickelt sich und macht mich schlechter, sondern dass es für mich eine Option ist, mich selbst zu verbessern.
Daher behaupte ich, dass nicht nur KI in 10 Jahren intelligenter sein wird als heute, sondern auch der Mensch, da wir ja auch von der künstlichen Intelligenz lernen werden.
Das heißt, wenn es in meinem Bereich eine KI gibt, die Aufgaben erledigen kann, die ich heute noch anders bearbeite, kann ich von diesem Unterschied lernen. Weiters müssen Entscheider und Entwickler bereit bleiben KI so einzusetzen, dass sie nicht einfach nur „ersetzend“ wirkt, sondern gemeinsam mit KI etwas verbessert werden kann.
Konrad: Was unser Leben sehr stark verändern wird, ist eben die automatische Verarbeitung visueller Daten. Ein praktisches Beispiel, das jeder kennt: das selbstfahrende Auto.(…)
Ich kann in diesem Zusammenhang sehr stark beobachten, wie KI das Feld der Medizin beeinflussen wird. Hier gibt’s Bereiche wie Tumorerkennung, die bereits jetzt vielen Patienten hilft. Aber auch z.B. in der Pflege oder Therapie von Demenzpatienten ist KI einzusetzen, weil diese eine andere Geduld hat, als ein pflegender Angehöriger, dem es emotional nahe geht, einen seiner Liebsten so zu sehen. (…)
Konrad: (…) Die Roboter werden meiner Meinung nach – so wie Maschinen im Allgemeinen – in sehr, sehr vielen Einzelaufgaben schlauer sein als wir. Sie werden Aufgaben besser lösen können als Menschen, bei denen wir heutzutage noch die Nase vorne haben. Ein Mensch kann zwar Experte in einem speziellen Thema sein, aber beherrscht trotzdem noch sehr viele andere Dinge gleichzeitig.
Genau das wird bei einer KI noch sehr lange nicht gelten, jede KI bleibt nicht nur Experte, sondern in ihrem Reich eine Inselbegabte. Das heißt konkret, dass KI andere Themen und Dinge gar nicht beherrscht, sondern eben nur dieses eine Thema. Das ist dann niemand, der selbst entscheidet sich gegen uns zu richten. Da brauchen wir vor einem Konflikt keine große Sorge zu haben. Es ist also kein Terminator in Sicht.
Konrad: KI gibt es bereits sehr viel im Hintergrund. Immer da, wo sehr viele Daten sind, die aufbereitet werden. Manche kennen die Schnittstellen bereits, die einen stellen sich diese bereits freiwillig ins Haus, die anderen kennen sie nicht. Wie Alexa oder Siri. Bei Voice Assistants wird die Sprache dahinter z.B. verarbeitet durch KI.
Künstliche Intelligenz kann deutlich besser Sprachen erkennen, als zum Beispiel die Algorithmen von früher.
Ein gutes Beispiel aus dem Alltag sind die automatisierten Telefonagenten, die einen durch Kundenhotlines durchschleusen. Die meisten sind davon genervt, sind sich dabei aber nicht bewusst, dass diese KI nicht nur schaut, in welches Menü man kommt und ob ich eins oder zwei sage, sondern auch wie ich eins oder zwei sage. Wenn meine Stimme dabei genervt klingt, werde ich eher in der Warteschlange nach vorne gereiht, als wenn man entspannt klingt.
Konrad: Ja, natürlich sind schon heute die meisten Radiosender soweit, dass sie sich nicht nur als Sender verstehen, sondern eben auch in Interaktion mit den Kunden treten. Dabei entstehen sehr, sehr viele Daten. Wenn ich diese benutze, kann ich natürlich deutlich besser das Programm optimieren.
Aber wir werden auch dahin kommen, dass man das Programm so optimieren kann, dass ein einzelner Hörer individuell angesprochen wird, wenn die Daten von KI entsprechend ausgewertet werden. Und dass der Sender XYZ vielleicht nicht mehr ein Programm hat, sondern genauso viele Programme wie Hörer und gleichzeitig trotzdem für etwas steht.
Anders als mit den heute verfügbaren Algorithmen wird KI aus Daten von einem Menschen, die über reines Surfverhalten hinaus gehen, analysieren und sich völlig anders auf den individuellen Hörer einstellen können.
Alle Bilder © Christoph Breneis